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Josquin und Berlin

Was haben Josquin und Berlin miteinander zu tun? Berlin war im ausgehenden 15. Jahrhundert keine Metropole, sondern eine Doppelstadt mit dem Namen Berlin-Kölln. Erst im Laufe des 16. Jahrhunderts stieg die Einwohnerzahl auf über 10.000.

2022 ist Berlin mit rund 3,7 Mio. Einwohnern Veranstaltungsort des wohl ambitioniertesten Josquin-Konzertprojektes überhaupt: Vom 13. bis 16. Juli 2022 werden im Pierre Boulez Saal an vier Tagen in acht Konzerten alle 18 für authentisch gehaltenen Josquin-Messen aufgeführt. Die Tallis Scholars unter der Leitung von Peter Phillips holen damit nach, was sie eigentlich für den 500. Todestag im Jahr 2021 geplant hatten.

Unter dem Titel “Willkommen im Kosmos Josquin!” wurde für das Projekt eine eigene Website erstellt. Ein Besuch lohnt sich definitiv. Die graphisch ansprechend gestaltete Seite ist in vier Bereiche unterteilt:

  1. Die Messen
  2. Podcast: Master of the Notes
  3. Museumstour
  4. Essays

Die Messen

Im Abschnitt “Messen” werden rund einminütige Auszüge aus allen achtzehn Messen angeboten. Dazu gibt es jeweils kurze Erklärungen zu den Besonderheiten jedes Werkes und Verlinkungen zu Kunstwerken, die einen Bezug zur jeweiligen Messe aufweisen.

Podcast

Ambitionierter ist ein eigens für die Webseite produzierter Podcast mit dem Titel “Master of the Notes“. Autoren des englischsprachigen Podcasts sind Shirley Apthorp und Willem Bruls. In acht Folgen begeben sich die beiden auf Spurensuche in Europa. Zum aktuellen Zeitpunkt (Mai 2022) sind bereits vier Folgen erschienen: 1. Einführung, 2. Warum Josquin?, 3. Im Spinnennetz und 4. Stadt der Sackgassen.

Museumstour

In einer Museumtour hat man die Gelegenheit, mit Peter Phillips Parallelen zwischen Musik und bildender Kunst zu entdecken. Die Tour erstreckt sich vom 12. bis 16. Jahrhundert und beginnt mit einer Abbildung des berühmten Genter Altars von Jan van Eyck, unterlegt mit einem Auszug aus dem beeindruckenden Agnus Dei III aus Josquins Missa L’homme armé sexti toni.

Essays

Schließlich findet man unter dem Abschnitt “Essays” noch einige interessante Beiträge zu folgenden Fragestellungen:

  1. Peter Phillips: Perspektiven der Renaissance. Essay über Parallelen und Widersprüche zwischen Musik und bildender Kunst in Form eines hypothetischen Gesprächs zwischen Josquin Desprez und dem Architekten Filippo Brunelleschi.
  2. Harry Haskell: Josquin für die Ewigkeit. Text über die faszinierende Rezeptionsgeschichte des Komponisten.
  3. Ivan Moody: Sounding Out Josquin (nur in englischer Sprache). Interview zwischen Ivan Moody und Peter Phillips über die Genese der Aufnahme aller Messen Josquins.
  4. Anthony Parr: Europa im Umbruch. Der Autor ordnet Josquins Leben und Wirken in den geistesgeschichtlichen Kontext des ausgehenden 15. und beginnenden 16. Jahrhunderts ein.
  5. Peter Phillips: A Performer’s Guide to Josquin’s Masses (nur in englischer Sprache). Wiederabdruck eines ausführlichen Artikels über die Messen, der 2018 in der Musical Times erschienen ist.

Mit der Website “Willkommen im Kosmos Josquin!” haben Peter Phillips und der Pierre Boulez Saal eine faszinierende Möglichkeit geschaffen, sich auf das Konzertereignis im Juli 2022 vorzubereiten.

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